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gestus. geheimnis. weg

Raumklang für Aerophone in alter und

neuer Stimmung plus live Elektronik

 

6 bis 9 Musiker

2014

Hörbeispiel: Schluss

Vorwort

Dieses Stück ist speziell für die drei Orgeln in St. Jakobi / Lübeck geschrieben, kann aber mit allen möglichen (auch erfundenen) Typen
von Aerophonen mit spezieller Stimmung gespielt werden: Es figurieren drei Gruppen von Instrumenten, die jeweils um einen Halbton
verschieden gestimmt sind, sodass beim Zusammenspiel der Akkorde von Seite 1 alle zwölf Töne erklingen. Die eventuell mitteltönige
oder anderweitig von gleichschwebend abweichende Stimmung – siehe St. Jakobi – gibt der Aufführung einen besonderen Farbton.

In Hinblick auf St. Jakobi ist das Tonmaterial auf drei Doppelystemen notiert, wobei an jeder Orgel zwei SpielerInnen agieren, getrennt
für die obere und untere Notenzeile eines Systems. Auch die Tonumfänge sind entsprechend der vorhandenen Manuale geschrieben,
die aber durch Registrierung Oktavierungen erfahren und bei Verwendung anderer Instrumente individuell gestaltet werden.

Im Verlauf der ersten drei Seiten bleibt das Tonmaterial der Akkorde immer gleich, nur seine rhythmische Gestaltung ändert sich.
Die Notation ist inspirierende Anleitung für die jeweils beschriebene Aktion zur "Entsynchronisierung" und nicht wörtlich zu nehmen.
Wichtig sind die Zeitangaben innerhalb der einzelnen Blöcke und die (immer kürzer werdenden) Pausen zwischen den Noten, bis sich
quasi wie von selbst ein Klangcontinuum durch die völlig horizontale Auflösung der Akkorde ergibt. Die Übergänge von Block zu Block
sind fließend, ohne Pause und werden von jeder Stimme individuell verschieden erreicht.

 

Die ersten drei Seiten der Partitur werden zu einer immer mehr psychologischen, denn tatsächlich umzusetztende Notation. Letztere
ist ab Seite 4 endgültig ein Protokoll des Hörergebnisses der inzwischen dicht gewobenen Klänge aus Instrumenten und Live Elektronik.
Nichts desto weniger gibt es exakte Indizien für die Aktionen der SpielerInnen, genaue rhythmische Modelle und fixierte Tonhöhen,
die sich dann, immer den Instruktionen genau Folge leistend, individuell verschieben. Die in den genau notierten Instrumentalangaben
verwobene Grafik skizziert die elektronisch modifizierten Klänge, die aus dem Spiel des Ensembles entstehen.
Alle Zeitangaben sind circa-Werte.

Live Elektronik

Die Datenfülle zur elektronischen Klangbearbeitung – zwar relativ einfache Schaltungen, aber komplexen Inhaltes – entzieht sich
einer vollständigen Dokumention auf Papier. Hier eine generelle Anleitung und ein verbaler Umriss dessen, was passiert.


Die virtuellen Instrumente sind mit KYMA realisiert. Die Timeline ist mit ergänzenden Hinweisen versehen.
Für alle technischen Details kann ein Download mit den fertigen KYMA-Programmen lizensiert werden.


Mindestens 3 Mikrofone nehmen festgelegte Abschnitte des instrumentalen Spiels auf. Die manipulierten Klänge werden mit
unterschiedlichsten Zeitverzögerungen akkumulativ zugespielt. Die meisten Algorithmen haben eine interne Feedbackschleife,
die den Klang verdichtet und dabei auch schrittweise ändert. Die so entstehenden Schallgestalten erhalten ihre harmonische
und rhythmische DNA vom live spielenden Ensemble. Im Falle mehrerer Einzelinstrumente werden 3 bis 5 ausgewählt. Auch
nur ein Teil des Ensembles liefert genügend Information für den zu kreierenden Raum- und Farbklang. Wichtig sind mindestens
3 Klangquellen, die klares Material (kräftige Amplituden) an den Computer liefern. Je nach Raumgröße und Anordnung der
Instrumente sollen 4 bis 8 Kanäle derart im Saal verteilt sein, dass ein ausgewogenes Klangbild entsteht.

Das Meer erscheint immer in neuen Farben und Bewegungsmustern, je nach Tageszeit, Wind- und Wetterlage. Aber der
Küstenverlauf, die Begrenzungen am Horizont durch vorgelagerte Inseln, das regelmäßig verkehrende Fährschiff etc. lassen
die Gesamtsituation als strukturell gefestigt erscheinen, geben dem innerlich sich ändernden Bild einen beständigen Rahmen,
eine klare, stetige Form.


Jede Aufführung zeitigt auf Grund anderer Instrumente und Spielweisen anderes Klangmaterial und damit andere Resultate.
Immer jedoch tritt die Struktur des Stückes klar hervor.

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