Neue Musik
Die Musik kann keine so festgelegte Sprache sein, die so willkürlich durch Gepflogenheit
eingeengt wurde. Die Musik befindet sich in einem ständigen Schöpfungsprozeß, sucht
nach einem Sinn und nach irgendwelcher geheimnisvoller und in Wirklichkeit sehr
seltsamen Brücke zwischen Natur und Kultur. Ein so ehrgeiziges Streben verlangt eine
gewisse Vorsicht: langsame Etappen und viel Geduld.
… Vermeiden wir also, gleichzeitig der Gefahr des Schönheitskultes und der
Wissenschaftsgläubigkeit zu unterliegen. Verlassen wir uns vielmehr auf unser Hören,
das “ein Sehen von Innen“ ist.´
Pierre Schaeffer: Solfège de l’objet sonore
neue musik, moderne musik, schöne neue klänge, zeitgenössische musik, etc. alles
aussichtslose verniedlichungen und entschärfungsversuche (soll meist heissen: Achtung!
Warnung! es kommt was unverdauliches; eigentlich: einmal etwas nicht vorverdautes...), die
versuchen, etwas schmeichelhaft anzupreisen, was nicht säuseln soll. im zeitalter von fastfood
und néscafé bleiben wenige nischen für den bauernmarkt mit unverfälschtem geschmack.
alles umschreibungen, die für mich als komponisten unnötiges komplizieren eines einfachen
tatbestandes darstellen: musik machen, jetzt, ist das natürlichste auf der welt. musik machen,
jetzt, in der nachfolge von … ist das selbstverständlichste im universum. musik machen, jetzt,
um zu erforschen, weiterzuentwickeln, neues terrain zu besetzen, unerhörtes zum klingen zu
bringen, phantasien freien lauf zu lassen, an ihnen zu lernen, während man sie konkretisiert,
dem weltentönen einen neuen akkord abzulauschen, für mich, als forscher...
fahren wir mit dem ford aus 19hundert20 oder gar dem pferdefuhrwerk? benützen wir das
spinnrad? schicken wir brieftauben? leuchten mit holzspänen unsere wohnungen aus?
das entdecken, die neugier sind doch die überlebenswichtigen triebfedern im menschlichen
dasein, die uns weiterentwicklung, fortkommen, progreß, selbstbesinnung, selbstbefreiung,
selbstachtung, selbstbescheidung, selbstbehauptung, selbstbeherrschung, selbsterkenntnis
bescheren.
zum kern des menschseins vorstossen. nichts materielles schaffen, schwingungen, die den
geist heben, was – siehe eingangs – nicht verwechselt werden darf mit gemütlichem lauschen.
hören – zuhören ist anstrengend. (er)finden ist mühsam. dafür wird danach alles leichter. für
kurze zeit, denn die neue erkenntnis ist fordernd, leuchtet ins nächste dunkel, wirft kurze
lichtblitze auf neue welten und schon setzt die mannschaft die segel …